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Hochtourenkurs am Großvenediger:
Lehrreich, aber erdend

Über den DAV haben wir einen Hochtourenkurs in der Venedigergruppe gebucht. Inhalte des Kurses sind Geländebeurteilung, Spuranlage, Tourenplanung, Orientierung, Seiltechnik, Methoden zur Bergung aus Gletscherspalten, Einführung in das Gehen mit Steigeisen und Benutzung des Pickels.

Wir haben nun zwar schon ein paar Hochtouren hinter uns, wollen aber alles nochmal gescheit von Grund auf lernen, sodass wir nicht mehr nur mitgehen, sondern auch selbst komplett über Tour, Verhältnisse und Bergungsmaßnahmen im Bilde sind. Wir haben uns die Venedigergruppe einzig aus dem Grund ausgesucht, weil wir in den  Hohen Tauern noch nie waren. Immerhin das Gebirge, das den höchsten Gipfel Österreichs enthält – den Großglockner, aber auch der Großvenediger ist nicht minder bekannt.

1. Tag – Anreise zur Johannishütte (2.121m)

Früh am Morgen starten wir in München und gelangen in etwa drei Stunden nach Hinterbichl im Virgental. Am Parkplatz Wiesenkreuz treffen wir die weiteren Kursteilnehmer und unsere Kursleiterin. Wir steigen bei strahlendem Sonnenschein durch das Dorfertal hinauf, einem klassischen Trogtal. Über Forstweg geht es erst gemächlich, dann in Serpentinen hinauf bis zum Gumpenkarkreuz. Der erste Teil des Afustiegs quert zahlreiche steile, lawinengefährdete Hänge, die sich nun aber bereits entladen haben. Wir haben nicht viel Schnee unterhalb von 2.000m, weshalb immer wieder kurze Tragestrecken angesagt sind. Nach etwa 2,5h gelangt man zur Johannishütte auf 2.121m, die auf der Südseite des Großvenedigers liegt, und ein guter Ausgangspunkt für verschiedene Touren – sowohl Ski- als auch Hochtouren – ist.

Unterhalb von der Johannishütte liegt die Ochsnerhütte und wir lassen uns gleich mal in die Irre führen indem wir dem Glauben verfallen, die Johannishütte sei die Ochsnerhütte, die aber nichtmal bewirtschaftet ist und machen so ein paar Höhenmeter zusätzlich – auf der vermeintlichen Suche nach der Hütte. Bei der Materialseilbahn zum Defreggerhaus kehren wir um und dann wird uns bald klar, dass wir uns verunsichern haben lassen.

Die Hütte war natürlich die Johannishütte! Soviel zum Thema Orientierung… Tatsächlich hat sich auch kaum einer mit dem Hüttenanstieg befasst. Das soll immer wieder ein Thema in den nächsten Tagen werden. Nur allzu oft folgt man bestehenden Spuren und Schildern ohne darüber nachzudenken ob dies wirklich die günstigste Wahl ist – aus Lawinen- als auch aus Gelände-Sicht.

Wir tanken kurz Sonne auf der Terrasse, die dann bald hinter den Bergen verschwindet. Wir gehen ins Innere, essen leckeren Marillenkuchen und besprechen die nächsten Tage und unsere Vorstellung. Auch werden die Teilnehmer in zwei Gruppen eingeteilt und jeweils eine Gruppe plant die Tour zur Kristwallwand oder zur Weißspitze. Für die intensive Tourenplanung ist der Lawinenlagebericht natürlich Grundlage, ebenso wie das Wetter.

Darauf folgt die Planung anhand der Karte. Checkpunkte werden definiert, die sich sowohl auf Gelände, Orientierungspunkte (z.B. markante Felsen), Richtung als auch auf Gefahrenquellen/-stellen beziehen können. Wir lernen die Karte in allen Einzelheiten zu lesen – Rinnen, Mulden und Rücken zu erkennen. Unsere Dreiergruppe plant die Weißspitze, aber schon während der Planung wird uns klar, dass es diese Tour wohl eher nicht werden wird. Zuerst ist die Route mit der Kristallwand identisch, geht dann aber über ein Törl, das Kletterstellen im II. Grad aufweist, weiter. Das muss jetzt noch nicht sein.

Die Johannishütte selbst ist super. Das Essen ist gut und reichhaltig, die Atmosphäre gemütlich, die Wirte sehr nett und die Lager freundlich und geräumig.

2. Tag – Tourentag mit Gletscher

Nach dem Frühstück besprechen wir unsere Tourenplanungen und es fällt die Entscheidung für die Kristallwand, vor allem wegen der geringen Schneelage. Mit der Lawinengefahr haben wir Glück dieser Tage – überhalb von 2.000m haben wir eine Lawinenwarnstufe von 2. Wir starten gegen neun Uhr im dichten Nebelmeer, das die Orientierung erschwert. Wir kommen nur langsam voran, da wir immer wieder stehenbleiben und die Richtung und beste Routenwahl neu diskutieren. Ich habe sowieso keinen Plan wo ich eigentlich bin. In den Hohen Tauern gibt es immer Wind und so sind nicht mal richtig andere Spuren auszumachen an denen man sich grob orientieren könnte (auch wenn wir das nicht mehr tun sollen…).

Mir schwant, dass das alles schwerer wird als gedacht. Direkt hinter der Hütte gibt es eine erste Steilstufe, dann geht es rechts an der Materialseilbahn vorbei zur nächsten Steilstufe. Wir folgen dem Bachtal des Zettalunitzbachs Richtung Nordosten zum Gletscher des Zettalunitzkees. Am Gletscher, unterhalb des Klexenköpfls seilen wir uns an und gehen in zwei Dreierseilschaften weiter. Zwischendurch reißt die Wokendecke auch mal auf und etwas Sonne eröffnet einen Blick ins Gelände. Wir erhaschen auch einen Blick auf das Wallhorntörl, über das man zur Weißspitze gelangen würde.

Allzu weit kommen wir nicht, schon am Klexenköpfl kehren wir um, denn das Wetter wird zunehmend schlechter. Ich fahre das erste Mal mit Seil ab, was gewöhnungsbedürftig ist. Unsere Seilschaft kommt allerdings ganz gut klar, die zweite ist mehr mit Diskutieren beschäftigt als mit Fahren. Viel abstimmen kann man gar nicht, wir fahren einfach und jeder passt seine Fahrweise dynamisch an. Hier geht es nur um Sicherheitsfahren, nicht um Skispaß.

Es wechselt eher zwischen Bögen, Seitlichen Querfahrten und Schneepflug. Wichtig ist, dass das Seil immer auf Zug ist, so kann man auch nicht über das Seil fahren. Ist aber schon ein bisschen gruselig vom Seilzug nach unten gezogen zu werden. Deshalb fährt auch der schlechteste Skifahrer vorne und gibt das Tempo an, muss sich auch nicht auf das Seil konzentrieren. Der beste Skifahrer fährt in der Regel hinten.

3. Tag – Spaltenbergung

Heute ist reiner Ausbildungstag und nach ein bisschen Theorie über Gletscher, steht Spaltenbergung auf dem Programm. Wir bilden wieder zwei Dreier-Seilschaften – eine Frauen- und eine Männergruppe. Wir Frauen kommen ganz gut klar, aber das Hochziehen über die „lose Rolle“ ist doch nicht so einfach und kostet viel Kraft. Das wiederrum haben die Männer deutlich besser drauf. Einer von uns lässt sich immer einen Abhang hinunter rutschen, die anderen zwei müssen ihn wieder heraufziehen. Nach zweifachem Durchgang fühlen wir uns dabei recht sicher. Es hilft aber auch, dass wir das vorher schonmal privat geübt haben, wenn auch mit einer etwas anderen Technik.

Am Abend sitzen wir noch lange über der Tourenplanung für morgen. Es soll diesmal wirklich zur Kristallwand gehen und über eine Alternative wieder hinunter. Entweder westlich des Klexenköpfls oder über das Defreggerhaus. Sechs Köche verderben schon ganz schön den Brei und es dauert lange bis wir uns einigen können. Ich bin schon bald nicht mehr aufnahmefähig, denn ich bin ziemlich müde vom Tag, und freue mich als ich endlich ins Bett komme.

4. Tag – Windige Tour zur Kristallwand

Heute starten wir die Tour zur Kristallwand. Um 7 Uhr morgens brechen wir auf, das Wetter heute ist zwar nicht klar, aber besser als am zweiten Tag. Diesmal kennen wir schon einen Teil der Strecke und kommen schnell voran. Erst auf dem Gletscher wird das Wetter ein bisschen freundlicher und die Wolken heben sich. Wir folgen dem wieder dem Bachtal nach Nordosten bis zum Gletscher, wo wir uns bei ca. 2800m anseilen. Der Gletscher ist hier ziemlich zahm, unsere Kursleiterin geht ohne Seil, was kein Problem darstellt. Wir wollen ja aber üben.
Wir gehen rechts an den felsigen, an Haifischzähne erinnernden, Klexenköpfl vorbei und gehen bei ca. 3000m in einem Linksbogen nach Norden und unterhalb des Felskamms mit dem Frosnitztörl über das Äußere Mullwitzkees. Am oberen Ende des Felskamms gehen wir rechts über flaches Gelände auf die Kristwallwand zu. Hier oben auf dem Hochplateau windet es ordentlich und wir stemmen uns eisern in den Wind.

Unterhalb der Kirstallwand, machen wir ein Skidepot, verstauen unsere Skier und Seile und ziehen die Steigeisen an. Die Kristallwand ist abgeblasen und es befindet sich nur stellenweise Schnee zwischen den Felsen. Eigentlich braucht man hier keine Steigeisen, aber auch hier üben wir. Wir stapfen in stürmischen Verhältnissen auf das Gipfelkreuz zu, Kommunikation ist schwer bei dem lauten Wind. Oben am Kreuz ist es noch stürmischer und kaum als gemütlich zu bezeichnen. Ich würde den Ausblick gerne länger genießen, aber es ist kalt und uns verbleibenden drei droht es fast vom Gipfel zu wehen. Ich bleibe noch relativ lange um ein paar Fotos mehr zu schießen, gehe dann mit den anderen hinunter zum Skidepot.

Wir gehen mit Fellen zurück über die Hochebene, die vom Wind hart gepresst ist. Erst unterhalb der Hochebene fellen wir ab und begeben uns auf die Abfahrt – diesmal ohne Seil. Der Schnee ist gut, es hat eine schöne Pulverschicht über der härteren Schicht. Leider kann ich das nicht genießen, denn ich werde seekrank. Alles geht weiß in weiß über, oben unten ist es weiß. Ich habe kein Gefühl dafür wo und wie schnell ich bin und denke noch zu fahren, obwohl ich schon stehe. Sowas kann passieren, aber auch dafür gibt’s eine Lösung: Spur fahren. Ich fahre hinter unserer Kursleiterin hinterher, vorsichtig und nicht allzu schnell. Das klappt dann, aber so richtig Freude kommt natürlich nicht auf. Hauptsache sicher wieder unten. Ich glaube, ich bin das erste Mal froh wieder unten zu sein :)

5. Tag – Spaltenbergung II

Heute haben wir die Wahl: Nochmal Ausbildung oder eine Tour. Die Wetteraussichten für heute sind bestens – herrliches Bergsteigerwetter! Aber Touren laufen uns nicht weg, den Großvenediger erreichen wir wohl eh nicht (von der Johannishütte sind das 1.500hm und 5h Aufstieg) und wir sind ja hier um etwas Neues zu lernen. Bei einer Tour lernt man natürlich auch viel, aber es gibt noch soviel weiteres zu lernen.

Wir entscheiden uns gemeinschaftlich für die Ausbildung. Heute widmen wir den Tag wieder Spaltenbergung – diesmal der Selbstrettung mit Aufprusiken. Das ist gar nicht allzu einfach, denn erstmal muss man das ganze Geraffel loswerden und natürlich sichern. Mit Reepschnüren und Bandschlingen kann man die Skier und Stöcke am Gurt sichern, notfalls auch den Rucksack.

Dann lernen wir die Gardaklemme kennen um das Seil freizubekommen, falls es sich oben am Rand der Spalte irgendwo einschneidet. Dort kommt man beim Aufprusiken schlecht drüber. Die Gardaklemme ist eine Rücklaufsperre, die mit zwei baugleichen Karabinern realisiert wird. So wird die Seilrichtung nach unten blockiert und man kann das Seil so oben freibekommen und sich gleichzeitig über den Spaltenrand hinaus bewegen.

Schlussendlich üben wir den Mannschaftszug, um jemanden ganz ohne lose Rolle und das ganze Drumherum aus der Spalte zu befördern. Dabei ziehen einfach alle gemeinschaftlich das Opfer aus der Spalte. Natürlich nicht ohne dabei auf das Sturzopfer zu achten, dem eventuell ein Überhang oder ähnliches im Weg sein könnte.

Am frühen Nachmittag begeben wir uns auf die Terrasse der Johannishütte und genießen ein kaltes Getränk in der Sonne. Dann fahren wir wieder hinunter ins Tal. Es hat mittlerweile noch weniger Schnee als zuvor, weshalb wir immer wieder von einem Schneefleck zum anderen rutschen.


FAKTEN ZUR TOUR
Skihochtour Kristallwand (3.310m)
Gehzeit: 4h
Höhenmeter: 1.200 m
Exposition: NW
Ausgangspunkt: Johannishütte (2.121m), Matrei, Österreich
Mehr zur Tour gibt’s hier.

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    Annika

    Ich bin verliebt in die Welt, ihre Berge und das Abenteuer. Seit jeher beschäftigt mich eine starke Sehnsucht nach einem intensiven Leben. Dabei bedeuten Wandern und Reisen für mich pure Freiheit und Glück. Auf diesem Blog lest ihr alles über meine Abenteuer auf der ganzen Welt

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