Spitzbergen: Zwischen Huskys und Rentieren in Longyearbyen

Posted: 9. Januar 2019 by Annika

Longyear­byen ist die größte Stadt auf Spitzber­gen. Von Hun­de­schlit­ten­fahrten über Gletscherblicke und Mit­ter­nachtssonne bietet die Stadt einen gelun­genen Ein­stieg in die Arktis.

Longyear­byen liegt zwis­chen Hügeln einge­bet­tet. Auf ein­er Seite erstreckt sich der Fjord, auf der anderen Seite Berge, von denen sich Gletscherzun­gen ins Tal bewe­gen. Außen­rum ist es erstaunlich grün für diesen Vor­posten der Ark­tis. Mit­ten durch die Stadt fließt ein brauner Gletscher­fluss an dem gele­gentlich Ren­tiere grasen. Über unsere Köpfe fliegen Raub­möwen hin­weg und zwis­chen den Häusern befind­en sich üppige Woll­graswiesen. Longyear­byen ist eine typ­is­che Stadt am Polarkreis — zweck­mäßige und etwas mar­o­de wirk­ende Gebäude ste­hen auf grauem Per­mafrost­bo­den.

Es ist später Nach­mit­tag als wir Spitzber­gen erre­ichen. Schon aus dem Flugzeug kön­nen wir die weißen Gipfel und Berge sehen. Gegen 22 Uhr machen wir uns auf die Suche nach was zu essen. Die Sonne ste­ht trotz vorg­erück­ter Stunde noch immer hoch am Himmel. 

Viel gibt es in Longyear­byen nicht: Ein paar Restau­rants und Cafés, ein Super­markt, eine Kirche und ein Kiosk in dem wir uns einen Burg­er genehmi­gen. Spitzber­gen ist teuer und Fast­food die kostengün­stig­ste Vari­ante. Unser Hotel befind­et sich am Rande der Stadt und die Zim­mer erin­nern mich an Nepal, da es nicht viel mehr als zwei Bet­ten gibt. Der wesentliche Unter­schied ist, dass es deut­lich mehr kostet und uns noch um Mit­ter­nacht die Sonne durchs Fen­ster ins Gesicht scheint.

Vor unser­er Expe­di­tion­sreise durch die ark­tis­chen Gewäss­er rund um Spitzber­gen haben wir nun einen vollen Tag Zeit Longyear­byen zu erkun­den. Zuerst gehen wir hin­unter zum Meer und beobacht­en Vögel bevor wir dem Sval­bard Muse­um einen Besuch abstat­ten. Es zeigt die Geschichte Spitzber­gens, ange­fan­gen von sein­er Ent­deck­ung über Trap­per und Walfänger bis in die heutige Zeit zu den Mienen und schließlich dem Touris­mus. Auch die Tiere der Ark­tis wer­den vorgestellt.

Die Stadt ist klein, weshalb man immer wieder den gle­ichen Leuten begeg­net. Im örtlichen Super­markt find­en sich ein riesiger aus­gestopfter Eis­bär und ein Waf­fen­schrank am Ein­gang mit der Bitte seine Waf­fen nicht in den Super­markt zu brin­gen. Es ist ein ganz nor­males Bild, das sich hier bietet: Die Ein­heimis­chen spazieren mit ihren geschul­terten Gewehren durch die Stadt. Auch in der Stadt kommt es immer mal wieder vor, dass Eis­bären vor­beis­chauen. Sollte man jedoch außer­halb der Stadt unter­wegs sein wollen, ist das Tra­gen ein­er Waffe Pflicht, denn dies ist das Land der Eis­bären. Dabei geht es nicht darum Eis­bären zu erschießen, son­dern sie viel mehr zu ver­schreck­en falls es bren­zlig wer­den sollte. Aus­flüge auf eigene Faust auf die ver­lock­enden umliegen­den Berge sind also keine gute Idee.

Auf dem Rück­weg zum Hotel wer­den wir von zwei nis­ten­den Raub­möwen attack­iert. “Platsch” macht es während die eigentlich uns gel­tende Möwen­scheiße auf die Straße klatscht. Bei diesem Spazier­gang begeg­nen wir auch den ersten Spitzber­gen Ren­tieren. Im Gegen­satz zu ihren Ver­wandten auf dem Fes­t­land han­delt es sich hier­bei um eine kleinere Art, die auf das karge Leben auf diesem ark­tis­chen Vor­posten angepasst ist. 

Huskyschlittenfahrt im Sommer 

Die eigentliche Haupt­sai­son von Spitzber­gen ist im Win­ter, der Hunde- und Motorschlit­ten­touren in die Umge­bung zulässt. Wir machen das nun im Som­mer.

Die gut gelaunte Hun­de­führerin Astrid holt uns ab und wir fahren außer­halb der Stadt an Grasland­schaften mit Ren­tieren und zwei mit Süßwass­er gefüll­ten Lagunen vor­bei. Sog­ar im Meer gibt’s eine Süßwasser­schicht von all dem in ihn ragen­den Gletscher­wass­er.

Fast 100 Hunde freuen sich auf uns und bellen uns willkom­men. Stür­misch wedeln sie mit den Schwänzen und sprin­gen uns an. Sie wollen gekuschelt wer­den. Ich dachte immer, dass Schlit­ten­hunde Arbeit­shunde seien und nicht viel fürs Kuscheln übrig hät­ten. Diese hier sind anders.

Die Hunde wur­den bere­its aus­gewählt, damit kein­er über­lastet wird. Zur Zeit hat es 14–15 °C, aber die Tiere haben einen nor­malen Wohlfühl-Tem­per­aturbere­ich von ‑15 Grad. Das heißt im Som­mer gibt es nur kleine Run­den mit vie­len Pausen zum Abkühlen.

Wir dür­fen ein paar der Hunde selb­st holen und ins Geschirr nehmen nach­dem uns Astrid die Schritte erk­lärt. Das ist gar nicht mal so ein­fach, da die Hunde extrem kraftvoll sind. Sie wer­den auf einen Anhänger ver­laden und wir fahren hin­ter den Flughafen ans Meer, wo der kleine Wagen ste­ht, der heute als Schlit­ten­er­satz dient. Ich sitze vorn um brem­sen zu kön­nen während Astrid die 14 Hunde einspan­nt und sie nicht gle­ich mit dem ganzen Wagen abhauen kön­nen. Es gibt zwei Lei­thunde und jed­er Hund hat seinen fes­ten Platz. Sie sind keine rein­ras­si­gen Huskies, viel mehr wer­den schnelle Hunde mit schnellen Hun­den gekreuzt.

Wir fahren am Meer ent­lang und Seevögel kreisen über uns. Wir kön­nen weit in den von Gletsch­ern gesäumten Fjord hin­aus sehen bis zu der Stelle wo Pyra­mi­den liegen muss, die einzige andere erwäh­nenswerte Sied­lung auf Spitzber­gen.

Immer wieder machen wir Pause und es gibt Wass­er für die hechel­nden und schäu­menden Hunde, die kaum dass das Wass­er leer ist wieder Bewe­gungs­drang haben. Ein biss­chen Kuscheln ist aber auch sehr willkom­men. Die Hunde sind dafür geboren und man merkt es. Man muss sie richtig zügeln, damit sie sich nicht selb­st über­las­ten.

Wieder zurück auf dem Huskygelände gibt es bere­its etwas zu fressen, was unsere ver­späteten Hunde kaum erwarten kön­nen. Inner­halb von weni­gen Minuten fressen sie ihr Töpfchen aus. Wir schauen uns auch noch den drei­monati­gen plüschi­gen Nach­wuchs an.

Am Abend gön­nen wir uns ein Essen in unserem Hotel­restau­rant, das neben einem veg­e­tarischen Gericht vor allem Fleisch anbi­etet: Von Robben- bis Wal­steak ist alles dabei. 

Spaziergang zum Gletscher

Der näch­ste Tag ist der Tag der Abreise Rich­tung Ark­tis. Bevor wir das Schiff betreten machen wir uns jedoch noch auf einen Spazier­gang auf. Wir fol­gen dem Fluss Rich­tung Gletsch­er und find­en zwei grasende Ren­tiere. Wir gelan­gen auf eine kleine Anhöhe am Rande der Stadt und genießen die Aus­sicht auf Longyear­byen, den Fjord, Berge und Gletsch­er.

Zurück gehen wir am Berghang ent­lang. Dabei sehen wir Minen­reste, die von der Ver­gan­gen­heit Longyear­byens als Berg­w­erksstadt zeu­gen. Seit dem 20. Jahrhun­dert wurde hier Kohle gefördert und Longyear­byen ist nach seinem Grün­der und Minenbe­sitzer Munroe Longyear benan­nt. Die einzige noch pro­duzierende Mine in Longyear­byen ist Miene Nr. 7. Hinzu kom­men einige Kohle­felder 44km südöstlich von Longyear­byen.

Anschließend besuchen wir die nördlich­ste Kirche der Welt in Longyear­byen — die hölz­erne Sval­bard Kirke.

Obwohl Spitzber­gen zu Nor­we­gen gehört, ver­fügt es über eine gewisse Unab­hängigkeit vom Fes­t­land. Einkäufe sind zoll­frei und somit etwas gün­stiger als auf dem Fes­t­land und die Ein­wohn­er haben Frei­heit­en gegenüber dem restlichen Nor­we­gen. Dafür genießen sie keine Renten­ab­sicherung und Schwan­gere wer­den vor Geburt aufs Fes­t­land geflo­gen, da Longyear­byen nur über ein rudi­men­täres Kranken­haus ver­fügt.

Eine weit­ere inter­es­sante Tat­sache ist der Sval­bard Glob­al Seed Vault nahe des Flughafens, ein Saatgut­spe­ich­er für Nutzpflanzen wie Reis, Kartof­feln und Früchte für einen eventuellen Katas­tro­phen­fall.

Nach dieser kurzen Erkun­dung geht es für uns auf große Fahrt Rich­tung Nor­den und zu den Eisbären.

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