Norwegen: Über den Bärengrat durch den Jotunheimen Nationalpark

Posted: 16. August 2014 by Annika

Der Jotun­heimen Nation­al­park ist eine von Nor­we­gens schön­sten Gebirgsre­gio­nen. Auf der Jotun­heimen Runde begeg­nen wir ein­er faszinieren­den Berg­welt, majestätis­chen Gipfel und Gletscher. 

1. Etappe: Gjen­desheim über den Besseggen­grat bis Bjørn­bøltjør­na, 1.100hm, 9km

Des Mor­gens begrüßen uns Schafe vor unserem Zelt, die gemäch­lich vor sich hin trot­ten. Der Regen tröpfelt auf das Zelt­dach und ist nicht sehr ein­ladend. Wir warten ein Regen­pause ab und begin­nen dann mit dem Früh­stück und der Tage­s­pla­nung. Bish­er sieht es nach viel Regen aus und die Wolken hän­gen tief über dem Besseggen­grat (= Bären­grat). Im Ver­lauf des Früh­stücks reißt der Him­mel jedoch immer mehr auf und wir beschließen die Über­schre­itung zu wagen. Alter­na­tiv gäbe es einen Ufer­weg unter­halb des Grats bis zu ersten Sta­tion in Memurubu.

Wir pack­en unsere Sachen und machen uns auf den Weg zum Grat hin­auf. Es geht einen Hang hin­auf, der uns schon bald dazu bringt uns ein paar Klei­dungsstück­en zu entledi­gen. Als wir auf einen kleinen Hügel gelan­gen, liegt plöt­zlich direkt vor uns ein Ren­tier mit einem riesi­gen Geweih. Offen­bar hat er einen Kampf aus­ge­focht­en, denn das feine Fell an seinem Geweih hängt an ein­er großen Stelle blutig herunter und legt den Knochen darunter frei. Er scheint sehr erschöpft und unsere Anwe­sen­heit scheint ihm deshalb wenig auszu­machen. Schw­er atmend liegt er da und bewegt sich kaum. Nicht unbe­d­ingt ein gutes Plätzchen für eine gescheite Rast. Immer wieder kom­men Men­schen­grup­pen vorbei.

Wir lassen ihm seine Ruhe und gehen weit­er. Schon bald set­zt ein fein­er Niesel­re­gen ein. Kurz darauf ste­hen wir vor ein­er Fel­swand die in leichter Krax­elei zu bewälti­gen ist — mit 16kg auf den Rück­en und nassen Fels dur­chaus anspruchsvoll. Trotz des Regens bieten sich zwis­chen­durch immer wieder Blicke auf den Gjen­de­see und die karge Umge­bung, wenn die grauen Wolken für kurze Momente den Blick freigeben. Wir freuen uns über jeden dieser Augenblicke.

Nach dem ersten Auf­stieg geht es nun seichter bis zum Vesle­f­jel­let (1.743m), der höch­sten Stelle am Grat. Nun öff­nen sich auch immer größere Wolken­fen­ster und wir erfreuen uns am Tief­blick auf den milchig grün schim­mern­den Gjen­de­see, der sich fjordähn­lich 20km zwis­chen steilen Fel­swän­den ent­lang schlän­gelt. Auf der gegenüber liegen­den Seite lassen sich Wasser­fälle und Gletsch­er aus­machen. Über wellige Stein­wüste geht es weit­er bis der See Bess­vat­net auf­taucht und wir schon bald den mit einem riesi­gen Stein­haufen verse­hen­den Gipfel des Vesle­f­jel­let erre­ichen. Nun hat sich das Wet­ter tat­säch­lich zum Besseren gewandt, blauer Him­mel und Schäfchen­wolken bre­it­en sich über uns aus.

Wir genießen den Aus­blick und Son­nen­schein, trotz der Massen die am Besseggen­grat vorüber fluten — immer­hin die beliebteste und ange­blich schön­ste Wan­derung Nor­we­gens. Die meis­ten Wan­der­er fahren mit dem Boot bis Memu­rubu und laufen dann über den Grat zurück bis nach Gjen­desheim — so ist es eine schöne Tages­tour. Für die etwas Höhen­empfind­licheren emp­fiehlt sich diese Rich­tung auch mehr, da der schmale steile Grat im Auf­stieg, statt im Abstieg bewältigt wird.

Eine Weile nach dem Gipfel steigen wir über den eigentlichen Besseggen­grat steil bergab. In fel­siger Klet­terei krax­eln wir vor­sichtig hinab und ver­suchen den vie­len hin­auf­steigen­den Wan­der­ern auszuwe­ichen. Klet­terei mit soviel Gewicht auf dem Rück­en ist deut­lich schwieriger, auch wenn es über den I. Grat nicht hianaus­ge­ht. Dann ste­hen wir unten am Bess­vat­net, der uns schon einige Zeit begleit­et hat. Links erstreckt sich der milchig­gründe Gjende, rechts der höher gele­genene und dunkel­blaue Bess­vat­net, dem klarsten Bin­nensee Nor­we­gens — ein schön­er Kontrast!

Nun geht es wieder bergauf und der Weg schlän­gelt sich zum See Bjørn­bøltjør­na weit­er und an diesem ent­lang. Wir fühlen uns schon recht erschöpft und dieser wun­der­schöne Platz mit Tief­blick auf den Gjende, bis weit in die Land­schaft hinien und auf einen mäan­dern­den Fluss, ver­lockt zum Zel­ten. Wir schlafen erst­mal eine halbe Stunde in der Sonne und bauen dann das Zelt auf. Mit wun­der­schönem Blick kochen wir unser Aben­dessen (und Nach­speise!) und ver­weilen noch lange hier draußen und genießen diesen atem­ber­auben­den Anblick. Wer hätte heute mogen gedacht, dass das Wet­ter noch so schön wird? Wir sind begeis­tert! Als die let­zten Son­nen­strahlen ver­schwinden, wird es frisch und wir ziehen uns ins Zelt und die kusche­li­gen Schlaf­säcke zurück.

Regen­tag auf der Memurutunga
2. Etappe:
Bjørn­bøltjør­na über Memu­rubu bis Storå­dalen, 850hm, 10,5km

Im Lauf der Nacht reg­net es immer wieder, was auch am Mor­gen nicht abreißt. Wir warten auf eine Regen­pause, vorher jedoch han­dele ich mir bei der Bewe­gung den Reißver­schluss des Innen­zelts zu schließen, einen üblen Hex­en­schuss ein und kann mich erst­mal gar nicht mehr bewe­gen. Es schmerzt höl­lisch und ich sehe meine Felle schon davon schwim­men. Eine Salbe und län­gere Zeit abwarten später, starten wir ver­such­sweise indem wir langsam alles zusam­men­räu­men und ich den Ruck­sack pro­be­trage. Es klappt, wenn auch nicht schmerzfrei.

Wir maschieren los, um den See herum, und erblick­en mächtige Gletsch­er. Allzu viel sehen wir jedoch heute nicht, es reg­net immer wieder und die Wolken versper­ren die Sicht. Es geht gemäch­lich bergab, dann steil bis zu den Hüt­ten Memu­rubus. Memu­rubu liegt an der Mün­dung des Gletschflusses Muru, welche ein schönes Fluss­delta ergibt. Nach dem müh­sam steilen Abstieg, erre­ichen wir licht­en Birken­wald und Memu­rubu. Hier machen wir Mitt­tagspause, kochen eine Suppe und genießen die 10 Minuten Son­nen­schein des Tages. Genug um sich kurz auf die Iso­mat­te zu leg­en und zu son­nen. Dann wird es schnell wieder kalt und wir brechen nach Abwasch und ver­spätetem Zäh­neputzen am Bach zur Weit­er­reise auf.

Steil steigen wir zur Zinne Sjugur­dtind (1.300m) hin­auf; das let­zte Stück über blanken Fels krax­el­nd. Der weit­ere Weg führt über den Bergkamm Memu­ru­tun­ga. Lei­der sehen wir schon bald nichts mehr vom ver­sproch­enen Aus­sicht­sre­ich­tum und wan­dern durch dicke Wolken­suppe und Regen weit­er. Immer wieder führt uns der Weg steil bergauf. Zwis­chen zwei Seen geht es weit­er und langsam erwarten wir sehn­lichst die Abwezi­gung ins Storå­dalen. Da wir nicht zur Hütte Gjen­de­bu müssen, gehen wir diese Vari­ante über das Storå­dalen weit­er um später wieder auf den Weg von der Hütte zu tre­f­fen. So sparen wir uns auch den steilen Abstieg über den Bukkelægret.

Nach schi­er unendlich vie­len Anstiegen, erre­ichen wir die Abzwei­gung. Es ist kalt und feucht und langsam hät­ten wir nichts gegen einen Zelt­platz. In leichtem Auf und Ab leit­et der Weg uns zwis­chen Felsen und eini­gen kleinen Seen hin­durch. Nach ein­er Weile find­et sich eine geeignete Stelle mit einem Teich daneben und wir bauen müh­sam das Zelt auf. Der Wind rupft uns immer wieder die Heringe aus dem weichen Boden, bis wir diese mit Steinen beschw­eren. In der Zwis­chen­zeit ist uns schon ordentlich kalt gewor­den und wir sind froh, als wir endlich in den wär­menden Schlaf­säck­en liegen. Eine warme Mahlzeit und ein heißer Teee run­den den Abend ab.

 

Wenn du das Wet­ter nicht magst, warte 10 Minuten
3. Etappe:
Storåda­len bis kurz vor Leir­vass­bu, 330hm, 13km

Heute begrüßt uns statt Regen mal die Sonne, was uns motiviert aufzuste­hen. Nach dem Früh­stück, pack­en wir unsere Sachen ein und machen uns auf den Weit­er­weg. Es geht noch ein Stück auf und ab, bis der san­fte Abstieg ins Storå­dalen begin­nt. Unten rauscht der mächtige Fluss Storå ent­lang. Den großen Wasser­fall Heller­fos­sen kann man schon von Weit­en sehen.

Über matschiges Ter­rain hüpfen wir von Stein zu Stein um trock­e­nen Fußes zu bleiben. Über eine Brücke über­queren wir einen Gletscher­fluss und ste­hen dann vor dem Wasser­fall. Direkt neben dem Heller­fos­sen führt uns der Weg steil und in engen Ser­pen­ti­nen bergauf zum See Hellertjør­na. Die Nor­weger sind Fans vom direk­ten Weg, von umständlichen Ser­pen­ti­nen hal­ten sie anscheinend nicht viel. Oben am Wasser­fall ras­ten wir auf einem großen Fels­block, erfreuen uns an der wär­menden Sonne.

Dann aber ver­dunkelt sich der Him­mel schla­gar­tig und es wird sehr kalt, was uns zum Weit­erge­hen zwingt. Das Wet­ter in Nor­we­gen ändert sich wirk­lich alle 10 Minuten. Das bedeutet aber wieder­rum, dass man nur 10 Minuten warten muss, wenn einem das aktuelle Wet­ter nicht taugt :) Die Regen­schauer sind oft kurz und nicht sehr heftig, was immer­hin angenehmer als ein kom­plet­ter Regen­tag ist.

Kurz darauf tre­f­fen wir auf ein deutsches Paar, dass uns sagt, dass es noch 11km bis Leir­vass­bu sind, unser für heute angepeiltes Ziel. Das ist noch einiges, also weit­er geht’s. Wieder bergauf und zum näch­sten See, dem langge­zo­ge­nen Lang­vat­net. 5km geht es nun an ihm ent­lang über schlam­mi­gen Boden, der von vie­len Bächen gequert wird. Wir sehen einen Lem­ming über den Weg huschen. Wie Ham­ster mit Meer­schweinchen­fär­bung sehen sie aus.

Wir über­queren den ein oder anderen größeren Bach, indem wir uns von Stein zu Stein hangeln. Am See fängt es an zu reg­nen und mag kaum mehr aufhören. Wir gehen noch an einem weit­eren See ent­lang und suchen uns dann am drit­ten unser Lager an einem Bach, da dahin­ter nur noch Geröll bis Leir­vass­bu kommt und somit zum Zel­ten ungeeignet ist. Der Bach bildet ein natür­lich­es Waschbeck­en, das wir für eine eisige Haar­wäsche nutzen. Der Regen hat auch aufge­hört und set­zt pünk­tlich als wir im geschützten Zelt sind, wieder ein.

 


Schnee, Regen, Kälte
4. Etappe:
Kurz vor Leir­vassbu bis Spiter­stulen, 230hm, 20km

Mor­gens bedeckt neuer Pud­erzuck­er die Gipfel um uns herum — es hat geschneit! Dementsprechend kalt ist es und bis die Hände wieder warm gelaufen sind, dauert es. Lei­der reg­net es auch immer wieder und die Sicht lässt zu wün­schen übrig. Nach kurz­er Zeit tre­f­fen wir auf zwei Nor­weger, die die Waf­feln an der Hütte Leir­vass­buu her­vorheben. For­t­an kann ich an nichts anders mehr denken und der Gedanke motiviert. Außer­dem erzählen wir uns, welch einen Jahrhun­dert­som­mer sie im Juni/Juli in Nor­we­gen gehabt hät­ten. Das sollen wir im Ver­lauf der Reise noch öfter hören… Bringt uns nur nix. Es geht noch ein paar Höhen­meter durch Fels­gewirr bergauf um dann vom Pass langsam wieder hinab zu steigen.

Wir tre­f­fen auf die Trans­port­straße und gehen die let­zten Meter zur Hütte über die Straße — endlich mal nicht darauf acht­en müssen wohin man tritt! Der Regen kann es nicht nicht verkneifen uns kurz vor der Hütte noch ein­mal zu beglück­en. Die Hütte ist sehr gemütlich ein­gerichtet mit her­rlichen Blick auf den See und die markante Bergspitze Kyrk­ja. Wir machen uns über unsere Waf­feln her und betra­cht­en das trübe Wet­ter draußen. Die Wärme tut gut und wir mögen kaum mehr rausgehen.

Alle Hüt­ten auf der Großen Jotun­heim­runde wie wir sie machen — von Gjen­desheim nach Gjen­de­bu, über Leir­vass­bu nach Spiter­stulen und über Glit­ter­heim zurück nach Gjen­desheim — gibt es nur bewirtschaftete Hüt­ten mit Zim­mern und Lagern sowie Duschen, sowohl pri­vat als auch vom DNT. Gele­gen­heit­en zum Sel­berkochen gibt es hier nicht. Selb­stver­sorg­er­hüt­ten vom DNT gibt es im Jotun­heimen nur zwei, anson­sten noch eine Hand­voll unbe­wirtschaftete für die ein Schlüs­sel nötig ist. Die bewirtschafteten Hüt­ten ähneln unseren DAV Hüt­ten, also nicht den in Schwe­den üblichen Selb­stver­sorg­er­hüt­ten. Trotz­dem sind diese immer mit viel Liebe ein­gerichtet — urgemütlich mit viel Holz, Ren­tier­fellen und Trollen.

Ich däm­mere am Fen­ster so vor mir mich hin, bis wir wieder auf­brechen um zu unserem Tagesziel nach Spiter­stulen zu gelan­gen. 16km haben wir noch vor uns und es ist bere­its früher Nach­mit­tag. Wir umrun­den den See Leir­vat­net bis zu dessen Nor­dende und gelan­gen zum näch­sten See, wo es über grobes Geröll müh­sam von Stein zu Stein geht.

Der Weg schlän­gelt sich nun durchs Vis­dalen, das von hohen Bergen mit Gletsch­ern gesäumt ist. Davon sehen wir allerd­ings nicht viel. Es fängt heftig an zu reg­nen und meine Hose ist schon bald durch­nässt. In ein­er Regen­pause wech­sel ich zu mein­er Regen­hose. Der Weg ist schlam­mig und zieht sich unendlich hin. Hin­ter jedem Hügel hof­fen wir die Hüt­ten von Spiter­stulen zu erblick­en. Ich bin schon ziem­lich müde und erschöpft und der lang ersehnte Anblick der Hüt­ten erfreut mein Herz sehr.

Wir gehen in die warme Hütte, kaufen eine Pep­si und informieren und über Wet­ter und Zelt­platz. Mor­gen pla­nen wir den Gald­høp­pi­gen, den höch­sten Berg Skan­di­naviens (2.469m) zu besteigen, dazu braucht es top Bedin­gun­gen. Wir wer­den lei­der ent­täuscht. Um 21 Uhr soll es neue Infos zu den geführten Gletscher­touren inkl. Gipfel und dem Wet­ter geben. Also abwarten. Wir zahlen heute mal für den Camp­ing­platz bei der Hütte um die hiesi­gen war­men Duschen nutzen zu kön­nen. Der Zelpt­platz ist auf der anderen Seite eines großen Gletscher­flusses und über eine Hänge­brücke zu erre­ichen. Wir bauen unser Zelt auf und begeben uns danach sofort unter die wohltuende Dusche.

Die Camper haben hier ein eigenes Ver­sorgung­shäuschen mit Toi­let­ten, Duschen und sog­ar ein­er Küche. Wir essen heute also im War­men unser Abend­brot — her­vor­ra­gend! Danach suchen wir den Trock­en­raum auf um unsere nassen Sachen zu trock­nen und die Infor­ma­tio­nen bzgl. Gald­høp­pi­gen zu erhaschen. Mor­gen wer­den lei­der keine geführte Touren über den Gletsch­er Svell­nos­breen und auf den Gipfel stat­tfind­en, das Wet­ter ist auch nur lei­dlich, nach­mit­tags Regen. Wir kaufen eine Pack­ung Kekse und über­legen auf ein­er Couch krümel­nd hin und her was wir nun machen.

Hochge­hen und das Wet­ter riskieren? Oder sein lassen, man sieht ver­mut­lich eh nichts? Wir entschei­den mor­gen früh mal die Nase aus dem Zelt zu hal­ten und den Him­mel zu begutacht­en, allerd­ings glauben wir nicht daran, dass uns dabei die Sonne ent­ge­gen strahlen wird. Auf dem Rück­weg zum Zelt reg­net es nochmal kräftig und wir verziehen uns schnell in die war­men Schlaf­säcke. Es soll noch die ganze Nacht durchregnen.

Ent­täuschung am Galdhøppigen
5. Etappe: Spiter­stulen bis Glit­ter­heim, 600hm, 17km

Das mor­gendliche Wet­ter schaut eher nicht nach ein­er Bergbestei­gung des Gald­høp­pi­gen aus. Ent­täuscht ziehen wir von dan­nen. Wir kehren dem Gald­høp­pi­gen den Rück­en zu und gehen ein Stück auf der Maut­straße, die zur Hütte führt. Dann biegt ein Pfad ab, der sich schräg den Hang her­aufwindet. Das Wet­ter wird indessen immer bess­er und genau über dem Gald­høp­pi­gen-Mas­siv reißen die Wolken auf und blauer Him­mel kommt zum Vorschein. Was für eine Schmach! Die Ent­täuschung darüber, dass der Tag vielle­icht doch geeignet gewe­sen wäre, ist maß­los. Darauf brauche ich erst­mal ein Snick­ers und ver­suche neue Moti­va­tion für den Weit­er­weg zu schöpfen, was mir nicht leicht­fällt. Nach ein wenig Zus­pruch von Alex gelingt es jedoch, und wir steigen weit­er den Berg hoch, sehen sog­ar bald den schneebe­deck­eten Gipfel des Gald­høp­pi­gen und lassen diesen hin­ter uns.

Die Route gabelt sich oben — ein Weg führt über den Glit­tertind, der nur unwesentlich niedriger als der Gald­høp­pi­gen ist, und der andere über den Tal­weg nach Glit­ter­heim. Das Wet­ter ver­schlechtert sich eher, vor allem über dem Glit­tertind, unser Gepäck ist eh zu viel, also gehen wir die Nor­mal­route. Über das steinige Hoch­plateau Skaut­flu­ga geht es san­ft aufwärts. Ring­sherum tür­men sich Fel­swände und Gletsch­er auf, unten schim­mert ein See her­rlich grün. Bei einem kleinen Wasser­fall machen wir auf Hal­bzeit Mit­tagspause. Wir set­zen uns in eine kleine windgeschützte Rinne und kochen ein wär­mendes Süppchen.

Erst haben wir noch Sonne, aber der Wind pfeift uns kalt um die Ohren. Genau zum Ende der Suppe, begin­nt es zu reg­nen und wir pack­en in Winde­seile zusam­men und gehen weit­er. Es geht ein Stück bergauf während es immer steiniger wird und der “Weg” fol­gt einem schmalen Durch­lass in einem kleinen Felskessel. Der Bergrück­en des Rygge­hø ragt fast senkre­icht über uns auf.

Drei Seen gilt es zu passieren und dabei über riesige Fels­blöcke zu bal­ancieren. Die Wegführung ist wahnsin­nig, die großen Steine tür­men sich auf und wir bewe­gen uns vor­sichtig von einem zum andren. Als ob dem nicht reicht, set­zt ein wider­lich­er Schneere­gen ein und macht die Felsen zudem noch glitschig. Immer wieder mal rutschen wir ab, aber bis auf dass mein Fuß ein­mal im Wass­er lan­det und eben­jenes hinein­lässt sowie einem blauen Fleck am Hin­tern passiert uns nichts. Große Steine, kleine Steine, graue Steine, schwarze Steine, bemooste Steine, glitschige Steine, runde Steine, eck­ige Steine… Kurzum: Steine, soweit das Auge reicht.

Dann bessert sich der Weg endlich und wir kön­nen ins son­nenbeschienene Veo­dalen hinab blick­en sowie gewaltige End­morä­nen und die Gletscherzunge des Veo­breen sehen. Steil geht’s nun berab, nochmal über Fels­blöcke. Dem Fluss Veo fol­gen wir nun gemütlich auf einem Pfad langsam tal­wärts. Dann rückt die Hütte Glit­ter­heim in Sicht und wir suchen uns etwa 1km davor einen Zelt­platz am Fluss. Die Sonne scheint und wir genießen die Wärme und den Anblick des Tals in der gold­e­nen Stunde.

 

Glit­ter­heim bis Gjen­desheim im Sonnenschein
6. Etappe: Glit­ter­heim bis kurz vor Gjen­desheim, 25km, ca. 500hm 

Der Mor­gen begin­nt mit Son­nen­schein. Das erste Mal friere ich nicht beim Zeltab­bau. Wir laufen den let­zten Kilo­me­ter zur Glit­ter­heim Hütte. Der Weg ist schlam­mig und wir tre­f­fen auf einen Frosch. Habe mich schon gewun­dert wo die feuchtigkeit­slieben­den Tierchen in diesem Land bleiben. Über Planken geht’s die let­zten Meter zur Hütte, wo wir kurz einkehren. Lei­der sind keine Waf­feln erhältlich. Nach kurz­er Wegfind­ungss­chwierigkeit auf­grund irreführen­der Schilder, erre­ichen wir die schwank­ende Hänge­brücke über den Veo. Auf der anderen Seite geht es steil bergauf, bis wir auf ein­er Hochebene anlan­gen, wo es aber­mals über Geröllfelder geht. Auch Regen erfreut uns wieder. Mit Spie­len ver­suchen wir uns bei Laune zu hal­ten. Nun geht es san­fter bergauf.
Da das Wet­ter gar nicht mal mehr so schlecht aussieht, set­zen wir uns zu ein­er Pause und beschließen Schoko­rosi­nen zu ver­drück­en. Bis ich diese endlich in den Weit­en meines Ruck­sacks finde, set­zt ein Schneere­gen ein. Man kann sich unseren Gesicht­saus­druck vorstellen. Für eine hand­voll Schoko­rosi­nen reicht’’s aber noch bis wir die Flucht nach vorn antreten. Nun geht es abwärts. Geröll, Geröll, Geröll. Langsam geht das Geröll in weniger Geröll über und wir näh­ern uns langsam einem großen See. Über Kilo­me­ter fällt der Weg zum See hin ab. Das Wet­ter wird bess­er, aber eine Pause trauen wir uns nicht zu machen, da uns eine düstere Regen­front ver­fol­gt. Wir laufen ihr erfol­gre­ich davon, bis wir an ein­er ehe­ma­li­gen Hänge­brücke die Pause wagen.
Zum ersten Mal seit sechs Tagen genießen wir unsere Pause bei Son­nen­schein und ver­til­gen ein Mit­tagessen. Wir liegen gemütlich in der Sonne und freuen uns. Dann aber begin­nt es aber­mals zu tröpfeln und wir schre­it­en voran. Die Hänge­brücke wäre äußerst nüt­zlich gewe­sen, lei­der existiert von ihr nicht mehr viel. Wir laufen stromab­wärts durch Geröll um eine geeignete Stelle zum Queren zu find­en. Der Fluss ist allerd­ings ganz schön mächtig und schnell. Mit weniger Wass­er wäre er vielle­icht leichter zu queren, denn viel Gestein find­et sich im Fluss. Nach ein­er Weile find­en wir eine annehm­bare Stelle und ver­suchen unser Glück, kom­men sog­ar trock­e­nen Fußes auf der anderen Seite an. Wir stapfen durch weglos­es buschiges Gelände bis wir wieder auf den Weg tre­f­fen, der nun ans Seeufer führt und ordentlich matschig ist.
Die näch­ste Stunde laufen wir am Ufer des Russ­vat­nets ent­lang, queren einige Ste­in­strände, die unter wärmeren Bedin­gun­gen zum Baden ein­laden wür­den. Kleine Mück­en umschwär­men uns, aber wir kämpfen uns eis­ern voran. Am Ende des Sees find­en sich einige Fis­cher­hüt­ten und eine Hänge­brücke, dies­mal intakt, die den See­abfluss überbrückt.
Der let­zte Anstieg führt uns hin­auf zum See Bess­vat­net, den wir schon am ersten Tag bei der Grat­wan­derung bewun­dert haben. Die Sonne scheint wieder und taucht die Hochebene in gold­enes Licht. Nahe des Sees suchen wir uns eine Zelt­stelle und treten unser let­zte Nach tin Jotun­heimen an. Wir haben noch etwa vier Kilo­me­ter vor uns, die wir mor­gen in aller Frühe absolvieren wer­den (zur Abwech­slung mal früh auf­ste­hen, ob das klappt?) um den Bus um 9:40 Uhr Rich­tung Bergen zu bekommen.

Abschied von den Gletschern
7. Etappe: bis Gjen­desheim, 4km

Der Jotun­heimen Nation­al­park entlässt uns genau­so wie er uns vor sechs Tagen emp­fan­gen hieß: Trüb und ver­reg­net. Wir steigen die let­zten vier Kilo­me­ter bergab Rich­tung Gjen­desheim. Die Mor­gen­stim­mung ist ruhig und wir kön­nen Bessheim und die umgeben­den Seen und Berg­wel­ten sehen, bis der Regen uns ein­holt. Bald gelan­gen wir wieder auf die Auf­stiegsroute der ersten Etappe zum Besseggen­grat und so schließt sich der Kreis unser­er großen Rund­tour durch den Jotun­heimen Nation­al­park. Schön war es, wenn auch oft kalt und unwirtlich. Aber das macht es ja auch abenteuerlich.

Von sechs Tagen, hat­ten wir drei gute mit Sonne und drei schlechte, das ist ja gar nicht mal so schlecht. Ich würde sagen: Eine sehr skan­di­navis­che Erfahrung. Lei­der haben wir keinen Berg bestiegen, aber die Tour ist auch so anspruchsvoll mit ihren vie­len lan­gen Etap­pen und ca. 3.700 hm. Am anstren­gend­sten ist jedoch das wech­sel­hafte und unangehme Wet­ter, dem man beim Zel­ten und Wan­dern immer­fort aus­ge­set­zt ist. Die Wege sind sel­ten ein­fach — von Krax­eleien, über Geröll bishin zu über­fluteten und schlam­mi­gen Pfaden. Den Gald­høp­pi­gen müssen wir allerd­ings noch irgend­wann ein­mal nachholen!

Nun sitzen wir im Kiosk in Gjen­desheim, essen Waf­feln mit Marme­lade, trinken heiße Schoko­lade, schreiben Postkarten und warten auf den Bus.

Trekking­tour Jotunheimen
Gehzeit: sechs bis neun Tage
Länge: ca. 100km
Gesam­tanstieg: ca. 3.280 hm
Über­nach­tungsmöglichkeit­en: Eigenes Zelt oder Hütten
Schwierigkeit: Medi­um bis Schwer

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